Wozu in die Ferne reisen: Peter Grischott hält die heimische Bündner Tierwelt eindrucksvoll in Fotos fest
Peter Grischott aus Malans (GR) gewinnt mit seinem Foto «Gamsfamilie» den Fotowettbewerb «Die Big Five der Alpen». Der von Graubünden Ferien und CEWE initiierte Partnerwettbewerb fand im Rahmen des internationalen CEWE Photo Awards statt. Das ungewöhnliche Siegerfoto begeisterte die Jury mit seiner Ausstrahlung von wilder Mystik, Ruhe und der Verbundenheit der beiden Gämse. Im Interview erzählt der Fotograf, warum er am liebsten in seiner Bündner Umgebung fotografiert und warum vermeintlich schlechtes Wetter oft für gute Tierfotos sorgt.
Lieber Peter, danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Stell dich doch zuerst einmal vor.
Mein Name ist Peter Grischott und ich wohne in Graubünden, genauer gesagt im schönen Malans. Das ist eine Weinbauregion mit viel Natur und Bergen ringsherum. Ich bin verheiratet und habe zwei Mädchen, sie sind fünf und sieben Jahre alt. Beruflich arbeite ich als IT Business Consultant in einem Industriebetrieb. Die Fotografie ist meine grosse Leidenschaft, vor allem die Wildtierfotografie.
Wie bist du zur Fotografie bekommen?
Das war um die 2000er herum, als die ersten Digitalkameras rauskamen. Ich habe mir eine Kamera gekauft und am Anfang einfach Familienfotos gemacht, Ferien, Spaziergänge, mal eine Eidechse irgendwo.
2008 ging ich dann mit meiner Frau ein Jahr lang auf eine Weltreise. Damals habe ich meine erste Spiegelreflexkamera gekauft. Da habe ich natürlich sehr viel fotografiert und gemerkt, dass mir die Wildtierfotografie besonders am Herzen liegt. Wir waren damals auf den Galapagosinseln. Die sind in Sachen Wildtierfotografie quasi gleichzusetzen mit einem Besuch im Zoo, nur ohne Zäune: Man kommt den Tieren ganz nah und sie haben überhaupt keine Scheu. Seelöwen, Schildkröten, Vögel… das war sehr eindrücklich.
Als wir dann wieder zuhause in der Schweiz waren, wollte ich das natürlich weiterführen. Ich bin aber ganz schnell auf dem Boden der Tatsachen gelandet, denn hier ist es deutlich schwieriger, die Tiere überhaupt zu finden. Aber ich habe mich durchgekämpft. Angefangen habe ich bei den Vögeln im Garten am Futterhäuschen und hatte schon eine Riesenfreude, wenn mal ein Specht zu sehen war.
Ich war viel in der Natur und habe auch sehr viel Zeit damit verbracht, mehr über die heimische Tierwelt zu lernen: Wo findet man sie, zu welcher Tageszeit, wie fotografiert man sie am besten? Mit sehr viel Zeit und Geduld bin ich also dahin gekommen, wo ich heute bin.
Trotzdem kann man sagen: Von zehn Ausflügen mit der Kamera klappt es vielleicht ein bis zwei Mal, dass dabei ein Foto herauskommt, das mir persönlich richtig gut gefällt.
Machst du ausschliesslich Wildtierfotos oder wagst du dich auch in andere Bereiche der Fotografie?
Die Wildtierfotografie ist schon meine grosse Leidenschaft. Ab und zu habe ich eine Weitwinkel-Linse dabei, dann gibt es auch schöne Landschaftsbilder. In letzter Zeit möchte ich ausserdem mein Interesse an der Makrofotografie noch vertiefen. Das ist dann auch Tierfotografie, aber eben anders: Insekten, Amphibien und solche Dinge.
Ist die Familie auch mal dabei, wenn du auf Fototour gehst?
Ich habe die Kinder schon mitgenommen, aber das ist ihnen zu langweilig. Ich denke sie sind noch etwas zu klein, man muss ja viel stillsitzen (lacht). Man braucht natürlich sehr viel Geduld, sehr viel Zeit und deshalb auch viel Verständnis von der Familie. Ich bin relativ oft unterwegs, gerade im Frühjahr. Da ist natürlich besonders viel los in der Natur, man kann viele Jungtiere sehen und alles erwacht aus dem Winter. Es ist die beste Zeit für Wildtierfotografie. Ich weiss es sehr zu schätzen, dass meine Familie mein Hobby unterstützt.
Gibt es einen besonderen fotografischen Moment in deinem Leben, der dir im Gedächtnis geblieben ist?
Ja, da gibt es zwei Momente, die mir in den Sinn kommen: Eine schöne Begegnung war mit Murmeltieren in den Bergen. Eigentlich war es nicht die Begegnung an sich – obwohl das auch sehr schön war: Es hatte gerade geregnet, alles war noch nass. Dann kam plötzlich die Sonne heraus und ich sah diese zwei Murmeltiere auf einem Stein, die sich sonnten. Mit einem dieser Fotos habe ich einen Wettbewerb der Schweizerischen Post gewonnen und so wurde das Foto ein Jahr lang als Briefmarke in der ganzen Schweiz eingesetzt. Das war natürlich megacool und ein unglaublich schöner Moment, als ich das erfahren habe.
Der zweite Moment ist, als ich meine ersten Jungfüchse fotografiert habe. Füchse sind allgemein mein beliebtestes Motiv in der Wildtierfotografie. Das war so vor rund zehn Jahren, da bin ich zwei Wochen lang jeden Abend in der Nähe des Fuchsbaus gesessen und habe gewartet und gehofft, dass ich vielleicht mal einen Fuchs vor die Linse bekomme. Plötzlich sind gleich drei junge Füchse vor die Linse gesprungen und haben sogar in die Kamera geschaut. Das war ein ganz spezieller Moment für mich.
Das hört sich sehr bewegend an. Was bedeutet dir die Fotografie? Warum fotografierst du?
Für mich ist das ein Ausgleich zum Alltag, zum Büroleben. Ich habe dabei meine Ruhe und kann machen was ich möchte, hingehen wo ich möchte. Für mich ist es megaspannend zu sehen, was es bei uns in der Umgebung für Tiere hat. Es ist jedes Mal eine Challenge, die Tiere zu finden und eine riesige Befriedigung, wenn man nach etlichen Stunden oder Tagen wirklich das Tier vor die Linse bekommt, das man auch sehen wollte. Die lokale Umgebung macht es für mich noch spannender.
Fotografierst du deshalb am liebsten in Graubünden?
Ja, vorrangig bin ich in der unmittelbaren Umgebung meines Wohnorts unterwegs, am liebsten mit dem E-Bike. Es ist einfach am schönsten, wenn ich ein Tier wirklich hier bei uns erwische, denn wenn ich das Bild später zeige, hat das einen viel höheren Stellenwert, als wenn ich das Foto woanders oder gar auf einer Fototour aufgenommen hätte.
Der Sperlingskauz zum Beispiel: Das ist die kleinste Eule, die wir hier haben. Früher habe ich die schon in Finnland fotografiert, auf speziellen Touren wo man eben Eulen fotografieren kann. Das war natürlich sehr schön, aber ich habe mir dann zum Ziel gesetzt, sie auch bei uns fotografisch festzuhalten. Das ist mir nun auch schon einige Male gelungen, einmal sogar direkt bei uns im Ort. Wenn ich das den Leuten hier zeige, finden sie das natürlich viel spannender als irgendein Foto aus Finnland. Die Leute wissen meistens gar nicht, wie gross die Tierwelt hier vor Ort ist und haben oft noch nie einen Fuchs gesehen.
Ist das Gewinnerfoto «Gamsfamilie» ebenfalls in deiner direkten Umgebung entstanden?
Es ist an unserem Hausberg, dem Vilan, entstanden und war eigentlich eine Zufallsbegegnung. Bei uns im Dorf gibt es eine Seilbahn, die hinauffährt und die nutze ich recht oft, um dann oben wandern zu gehen. Es ist ein typisches Gebiet, wo es viele Gämse hat, weil sie dort geschützt leben. Wenn man früh am Morgen geht, hat man die Chance, den Gämsen nahe zu kommen. Sobald die ersten Touristen kommen, ziehen sich die Tiere wieder zurück.
Dieses Bild entstand im August und ich war schon wieder auf dem Rückweg von meinem Ausflug mit der Kamera. Der Tag war ein bisschen verregnet und bewölkt, was mir zum Fotografieren eigentlich am liebsten ist. Ich habe die Gämse entdeckt und habe einfach den Auslöser gedrückt, wie ich es da oben schon dutzende Male gemacht habe. Es war natürlich nicht geplant, dass die Gämse genau auf diesem Felsen stehen, das ginge ja gar nicht. Es war wirklich eine glückliche Zufallsbegegnung auf dem Weg nach Hause.
Die Jury lobte die mystische Stimmung durch die Nebelschwaden, aber auch die gelungene Komposition. Was gefällt dir selbst an deinem Foto am besten?
Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet dieses Foto gewinnt. Ehrlich gesagt habe ich gedacht: Es ist Graubünden, da wird sicher ein Steinbockfoto gewinnen (lacht)! Ich habe natürlich versucht, alle «Big Five der Alpen» abzudecken und einzureichen. Darunter waren einige Gamsfotos. Meistens nimmt bei den Tierfotos das Tier selbst den grössten Raum auf dem Bild ein. Bei diesem Foto sind die beiden Gämse ja recht klein abgebildet, vielleicht ist es das, was es von den anderen Fotos abhebt. Es ist auch für mich eine eher ungewöhnliche Perspektive und es ist natürlich wunderbar, wie die beiden gemeinsam den Blick über ihren Lebensraum schweifen lassen. Man sieht Graubünden und die Umgebung, in der sie zuhause sind. Mir gefällt auch die Stimmung sehr gut, die durch das Wetter entsteht. Ich liebe solche Wetterverhältnisse, man ist dann oft allein unterwegs und hat natürlich bessere Chancen, die Tiere anzutreffen.
Wusstest du schon beim Auslösen, dass es ein richtig gutes Foto wird?
Nein, das kam erst später, als ich die Fotos am Rechner angeschaut habe. Das ist eines von vielen, die ich an diesem Tag gemacht habe. Es gab auch viele Fotos von Gämsen, die ich aus der Nähe aufgenommen habe, sogar genau diese beiden. Aber irgendwie hat dieses Bild einfach etwas Besonderes. Ich habe das Bild auch gar nicht grossartig bearbeitet, nur ein bisschen zugeschnitten, ein bisschen die Tiefen heraufgezogen. Die Wirkung war von Anfang an speziell.
Wie hast du reagiert, als du von deinem Sieg erfahren hast?
Ich war total überrascht und habe mich riesig gefreut. Ich hab die Nachricht während einem Videotelefonat gesehen und konnte die Füsse bis zum Ende kaum still halten (lacht). Später habe ich mir die Benachrichtigung in Ruhe durchgelesen und konnte es erst gar nicht glauben. Es ist schon ein spezielles Gefühl, dass mein Foto unter so vielen guten Fotos ausgewählt wurde. Und noch dazu bei einem Wettbewerb mit Graubünden. Das bedeutet mir viel, weil ich selbst so gerne hier zuhause bin. Ich fühle mich sehr geehrt.
Was machst du aus deinen vielen Fotos?
Ich mache jedes Jahr einen Wildtierkalender, da kommen wirklich nur die allerbesten Fotos rein. Wenn ich ein Foto mache, überlege ich immer: Ist das ein Kalenderfoto oder eher nicht? Diese besonderen Fotos entstehen natürlich nicht jeden Tag.
Mit einem Kollegen, mit dem ich oft mit der Kamera unterwegs bin, veranstalte ich zudem jedes Jahr einen Bilderabend bei uns im Dorf. Es ist eine Fotopräsentation mitten im Wald, im Dunkeln, immer am ersten Advent. Da stellen wir einen Beamer und eine Leinwand auf zeigen unsere Fotos, die wir über das Jahr so geschossen haben. Mittlerweile ist das kleine Event bei uns in der Region sehr beliebt geworden. Es ist einfach ein spezieller Moment, wenn man die Fotos genau dort betrachten kann, wo die Tiere auch leben.
Ansonsten zeige ich einige meiner Fotos auf Instagram (@petergrischott für Wildtierfotos und @grischott_peter für Landschaftsfotos) und Facebook (Photography by Peter Grischott). Manchmal sprechen mich auch Leute an, wenn sie eines meiner Fotos zum Beispiel ins Wohnzimmer hängen möchten. Aber für mich ist das alles nebensächlich, mir ist einfach wichtig, dass ich viel Zeit draussen in der Natur verbringen kann.
Hast du Tipps für Menschen, die sich an die Wildtierfotografie wagen wollen?
Ich denke, man sollte sich am Anfang weniger auf die Technik und mehr auf die Natur fokussieren. Wenn ich ein richtig gutes Foto mache, dann weil ich viel, viel Zeit draussen verbracht habe. Klar ist es gut, wenn man eine hochwertige Ausrüstung hat. Aber man muss die Tiere ja erst mal finden. Statt also stundenlang Objektive zu vergleichen – das habe ich früher auch mal gemacht – verbringt man die Zeit besser draussen oder mit der Recherche nach den Lebensräumen der Tiere: Wo trifft man sie an, zu welcher Tageszeit hat man die besten Chancen, wie sieht ein Nest oder Bau aus? Meiner Erfahrung nach ist das der wichtigste Erfolgsfaktor bei der Wildtierfotografie.
Vielen Dank für das Interview!
Folgen Sie Peter Grischott in den sozialen Medien:
Instagram: @petergrischott (Wildtiere) und @grischott_peter (Landschaften)
Facebook: Photography by Peter Grischott
Oder besuchen Sie seine Website: wildlifepic.com