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Ein Foto, das Mut macht

Ein Schweizer Foto aus dem CEWE Photo Award berührte das ganze CEWE Team: Eine Superheldin, die ihre letzte Chemotherapie ausgelassen feiert. Im Interview erzählt Mel Tanner ihre inspirierende Geschichte.
Mel und Jeremy auf Reisen, © Mel Tanner
Mel und Jeremy auf Reisen, © Mel Tanner

Mel Tanner ist 39 Jahre alt und arbeitet in der Uhrenindustrie im Bereich Marketing. Zusammen mit ihrem Partner Jeremy Blatti lebt sie in Lausanne. Die beiden lieben es, gemeinsam in der Natur unterwegs zu sein, Sport zu machen und zu reisen. Jeremy ist der Fotograf hinter der Aufnahme von Mel als Superheldin.

«Wonder Woman celebrating her last chemotherapy», © Jeremy Blatti
«Wonder Woman celebrating her last chemotherapy», © Jeremy Blatti

Liebe Mel, das Foto, das Jeremy von dir als Superheldin gemacht hat, hat uns sehr berührt. Ganz besonders, als wir den Titel gelesen haben: «Wonder Woman celebrating her last chemotherapy». Wie kam es dazu?
Als ich die Chemotherapie begonnen habe, hatte ich natürlich Angst vor diesem grossen Schritt. Denn wenn man an Chemotherapie denkt, kommen einem viele unschöne Gedanken in den Sinn: Du wirst deine Haare verlieren, du wirst krank und sehr erschöpft sein. Diese Behandlung wird dich schwächen.

Ich bin aber eine sehr fröhliche, optimistische Person. Ich versuche auch in weniger schönen Situationen immer das Positive zu finden, selbst wenn es eine Brustkrebs-Diagnose ist. Also habe ich mir gedacht: «Okay, das wird eine harte Zeit zwischen Oktober und April. Aber nach diesem Meilenstein müssen wir unbedingt feiern.» Ich wollte etwas Lustiges und gleichzeitig Symbolisches machen. Und so ist die Idee mit dem Kostüm entstanden.

Warum hast du genau dieses Kostüm ausgewählt?
Für mich steht es für das Überwinden einer sehr schweren Zeit. Man entwickelt wirklich so etwas wie Superkräfte, um den Krebs zu besiegen. Es war deshalb eine naheliegende Entscheidung, die letzte Chemotherapie mit einem Superheldinnen-Kostüm anzugehen.

Zudem habe ich mir Bio-Luftballons besorgt. Die Ballons repräsentierten zwei Dinge: Es waren 16 Ballons für die 16 Behandlungen. Aber auch 16 Ballons für 16 liebe Menschen, die mich begleitet haben. Normalerweise bin ich eine sehr unabhängige Person, ich bitte nicht gerne um Hilfe. Aber in diesem Fall wollte ich aus jeder Behandlung einen besonderen Moment machen. Also habe ich 15 Freundinnen und Jeremy – eine Person pro Termin – gebeten, mich in diesen vier Stunden im Spital zu begleiten. Es wurden grossartige Momente mit lustigen und tiefgründigen Gesprächen. Gleichzeitig war es eine Art Lernerfahrung für sie. Denn die meisten Menschen wissen gar nicht, was in der Onkologie genau passiert.

Zur letzten Behandlung habe ich Jeremy mitgenommen. Denn obwohl es in erster Linie mein Kampf war, war er immer an meiner Seite. Schon von Beginn an war er immer da, hat mich zu all meinen Arztterminen begleitet. Ich wollte ihn deshalb nicht mit der gesamten Chemotherapie belasten, sondern diesen speziellen letzten Termin gemeinsam mit ihm feiern. Dieses Ende einer wirklich grossen Herausforderung, das Abschliessen dieses Kapitels unseres Lebens und den Neubeginn.

Wie war dieser Tag der letzten Behandlung?
Nach der Chemotherapie fühlt man sich nicht besonders gut, deshalb habe ich mein Kostüm schon am Morgen angezogen, um bereits vor dem Termin einige Fotos am Genfersee zu machen. Die Fahrt von dort bis ins Spital war ein lustiges Erlebnis: In der Métro haben die Leute mich ganz neugierig und amüsiert angeschaut. Wegen der Pandemie spricht man ja normalerweise nicht miteinander, aber ein paar haben sich dann doch getraut zu fragen, ob ich Geburtstag habe. Meistens war es ihnen ein bisschen unangenehm, als ich ihnen erzählt habe, warum ich das Kostüm trage. Mit so einer Antwort rechnet man ja nicht (lacht).

Auf dem Steg eines ruhigen Sees haben wir also bereits am Morgen einige tolle Bilder und sogar ein ausgelassenes Video gemacht… ich hatte ja diese lustige Perücke an und habe einfach getanzt und die Haare herumgewirbelt. Das war ein sehr befreiter Moment. Eine Art, das Ende dieses Weges und die neu gewonnene Freiheit zu feiern.

«Wonder-Mel», © Jeremy Blatti
«Wonder-Mel», © Jeremy Blatti

Dieses spezielle Foto auf dem Gang des Spitals war also nicht geplant?
Genau, das war ganz spontan! Jeremy hat sich während der Behandlung die Fotos des morgendlichen Shootings am See auf seiner Kamera angesehen und die Pflegekräfte haben ihn darauf angesprochen. Es war ihre Idee, im Gang der Station für mich Spalier zu stehen und zu klatschen. Sie wollten mich damit überraschen und baten Jeremy heimlich, den Moment in einem Foto festzuhalten. Kurz bevor wir fertig waren hat er also irgendeine Ausrede erfunden um den Raum vor mir zu verlassen.

Wie hat sich das angefühlt, als du den Gang betreten hast?
Die Überraschung ist definitiv gelungen, ich war wahnsinnig gerührt als ich in rauskam. Es war so spontan und das hat den Moment umso schöner gemacht. Ich glaube, ich konnte in dem Moment gar nicht richtig begreifen, was passiert – da gingen so viele Emotionen durch mich hindurch. Es war für mich eine ganz grosse, liebevolle Geste.

Am Ende ist eine Chemotherapie eine Art Teamwork und ich habe mir gedacht: «Eigentlich hätte ich für die Pflegekräfte klatschen sollen, nicht anders herum.» Ich denke, um in einem Ort wie der Onkologie zu arbeiten, braucht man ein sehr grosses Herz. Diese Menschen waren so gut zu mir, immer freundlich und aufmunternd. Dafür werde ich ihnen immer dankbar sein.

Was fühlst du heute, wenn du dir das Foto ansiehst?
Das Foto hat genau die Wirkung, die ich mir erhofft habe: Es repräsentiert eine gute Erinnerung an eine sehr schwere Zeit. Ich fühle noch immer die Superkräfte, wenn ich mir das Foto ansehe.

Es zeigt diesen ausgelassenen Moment am Ende eines langen Abenteuers, denn das ist es für mich. Manchmal, am Anfang eines solchen Abenteuers, denkt man es würde ewig dauern. Aber am Ende geht es doch vorbei und irgendwann stellst du fest «Hey, es geht mir gut!». Und das muss gefeiert werden.

Ich habe Jeremy schon gesagt: Das Kostüm behalte ich und wenn ich je wieder in ein Spital muss, werde ich es tragen (lacht). Es bringt so viel Freude und lachende Gesichter dorthin, sei es bei den Pflegekräften oder den kranken Personen. Es war schön, zumindest ein wenig Freude und Spass in diesen Ort zu tragen und die positive Stimmung zu spüren.

Was möchtest du anderen Betroffenen mitgeben?
Versuche in jedem Moment das Positive zu sehen und etwas Gutes daraus mitzunehmen. Du bist stärker als du denkst!

Vielen Dank für das inspirierende Interview!

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