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Interview mit Adrian Flütsch, dem Gewinner des Fotowettbewerbs «Patgific – Das Bündner Lebensgefühl»

«Mit der Fotografie kann ich die Zeit einfrieren»
«Pow-Pow», © Adrian Flütsch
«Pow-Pow» von Adrian Flütsch

Über 750 Fotos wurden beim von CEWE und Graubünden Ferien initiierten Wettbewerb «Patgific – Das Bündner Lebensgefühl» eingereicht. Der Sonderwettbewerb fand im Rahmen des CEWE Photo Awards statt, dem grössten Fotowettbewerb der Welt. Nun hat die fachkundige Jury rund um Roman Flepp und Valentin Manhart von «Twintheworld» die besten Fotos gekürt. Sie zeigen das Bündner Patgific-Gefühl in seiner ganzen Vielfalt. Gewonnen hat Adrian Flütsch, Fotograf und Dozent aus Lenzerheide, mit seinem Foto «Pow-Pow». CEWE hat ihn virtuell zum Interview getroffen und ein spannendes Gespräch über seine Leidenschaft geführt, die Fotografie.

Fotograf Adrian Flütsch, © Adrian Flütsch
Fotograf Adrian Flütsch, © Adrian Flütsch

Herr Flütsch, stellen Sie sich doch kurz vor.

Mein Name ist Adrian Flütsch und ich wohne mit meiner Partnerin in Graubünden, genauer gesagt in Lenzerheide, wo ich auch aufgewachsen bin. Seit 10 Jahren bin ich selbstständiger Fotograf (www.sundroina.ch) und seit vier Jahren unterrichte ich zudem Fotografie an der Kunstschule in Chur.

Was bedeutet «Patgific» für Sie?

Wir Bündner sagen das sehr oft, das Wort steht für Gemütlichkeit, Gelassenheit… es hat mehrere Bedeutungen, je nach Situation. Wir verwenden es in schönen Situationen, die einem gefallen. Für mich ist es wirklich ein Lebensgefühl. Dazu gehört für mich auch viel in der Natur zu sein. Mit meinen Freunden gehe ich zum Beispiel oft Freeriden oder Wandern. Das ist für mich etwas, das voll «patgific» ist. Es passt für mich voll zum Thema.

Genau das hat die Jury auch festgestellt. Sind Sie oft mit dem Snowboard auf Tour?

Ja, wir machen viele Touren und gehen gerne freeriden. So ist auch dieses Foto entstanden. Die Person auf dem Foto ist ein guter Freund von mir. Der weiss noch gar nicht, dass ich den Wettbewerb gewonnen habe (lacht).

Haben Sie denn sonst schon jemandem von Ihrem Sieg erzählt?

Ich habe meinen Geschwistern und meiner Freundin davon erzählt, die haben sich riesig für mich gefreut. Ich habe bis anhin ja noch gar nicht gross bei Fotowettbewerben teilgenommen, deshalb war die Freude umso schöner.

Wie entsteht so ein Foto – gehen Sie gezielt auf Fototour oder ist das eher spontan?

Es ist eine Mischung aus beidem: Ich nehme eigentlich immer die Kamera mit wenn wir freeriden oder Touren machen. Je nach Situation ergibt es sich, dass ich einen Kollegen bitte: «Schau mal, da drüben ist eine coole Stelle, fahr da mal rein und ich probiere ein Foto zu machen». Und wie es beim Freeriden so ist, hat man dann nur einmal die Möglichkeit, dieses Foto zu machen. Sobald eine Spur im Hang drin ist, geht es nicht nochmal – das kannst du nicht einfach wiederholen. Das macht das Foto zu etwas Einzigartigem.

Was war die Herausforderung bei diesem Foto?

Es war schwer, den richtigen Winkel zu erwischen. Die perfekte Position einzunehmen, um so eine Bildwirkung entstehen zu lassen. Es war eine Gegenhangsituation, deshalb war es nicht ganz einfach, das so einzufangen. So ein Foto muss auch gut abgestimmt sein zwischen dem Fahrer und dem Fotografen. Für mich als Fotograf ist es wichtig zu wissen, wie der Snowboarder fährt und was für einen Stil er hat. Dadurch ist es leichter für mich, den richtigen Moment einzufangen.

Ich fotografiere selten mit der Bildserienfunktion. Ich versuche lieber durchzuschauen und dann den Auslöser im richtigen Moment zu drücken. Das finde ich besser, als die Kamera «durchrattern» zu lassen und dann aus 120 Fotos eines auszuwählen. Lieber mache ich ein bis zwei richtig gute Fotos.

Wann war der Moment, in dem Sie gemerkt haben: Das ist ein richtig gutes Foto?

An diesem Tag habe ich ganz viele Fotos gemacht – aber natürlich sind nur wenige so gut wie dieses. Meistens habe ich schon bei der Aufnahme das Gefühl «das könnte etwas Gutes werden». Wenn ich merke, dass alles funktioniert hat: Es war der richtige Winkel, die richtige Position des Fahrers, der Schnee hat schön gespritzt…

Was gefällt Ihnen daran selbst am besten?

Ich mag die Position des Snowboarders, wie er so richtig in die Kurve liegt und den Arm schön streckt. Und natürlich den «Spray», wie seine Figur leicht durch diese Schneewolke hindurchschimmert. Dazu die Schneebeschaffenheit und wie das Licht damit spielt, dieser Gegensatz aus Licht und Schatten.

Sie haben das Bild in Schwarz-Weiss getaucht – warum?

Um die Bildwirkung zu verstärken. Damit das Spiel zwischen Schatten und Sonne mit dem Schnee besser zum Ausdruck kommt. Die Schattenspiegelung sollte dadurch noch mehr Ausdruck gewinnen. Zudem war mir das Snowboard und die Kleidung etwas zu bunt, das hätte vom Wesentlichen abgelenkt.

Wo ist das Foto denn entstanden?

Das habe ich bei mir in der Nähe gemacht, also in der Region Lenzerheide, in den Bergen. Das schätze ich natürlich sehr an meiner Heimat: Da können wir mit der Bahn auf den Berg und dann mit dem Snowboard durch den Tiefschnee quasi bis vor die Haustür fahren.

Sie sagen, Sie schätzen Ihre Heimat Graubünden – was gefällt Ihnen ganz besonders?

Ganz klar natürlich die Berge mit ihren Tälern, Bächen und Flüssen, Wasserfällen und auch der Wald. Es ist nicht so stark besiedelt und bietet deshalb viel Ruhe. Insbesondere wenn man auf dem Berg oben ist, diese weite Aussicht hat und einfach in die Ferne blicken kann. Auch diese gewisse Geborgenheit, die diese Gegend ausstrahlt. Wenn man im Tal ist, fühlt man sich beschützt von den Bergen um einen herum. Man entdeckt immer wieder neue Konturen, neue Ansichten… und alles verändert sich mit dem Tages- und Jahresverlauf. Die Fotomotive gehen einem nicht aus (lacht).

Das glauben wir gerne. Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?

Eigentlich auch über das Snowboarden. Die Anfänge waren mit einer ganz einfachen, analogen Kamera, die man am Kiosk kaufen konnte. Man musste sie aufziehen, wenn man ein Foto machen wollte. Da hat man dann einen 24er Film mitgenommen und war überglücklich, wenn ein Foto dabei anschaulich herausgekommen ist.

Es hat mich einfach fasziniert, vor allem die Möglichkeit, Momente «einzufrieren». Momente, die das menschliche Auge gar nicht in ihrer ganzen Schönheit wahrnehmen kann. Wenn zum Beispiel der Schnee spritzt und man diese einzelnen Schneebrocken einfängt, die Zeit sozusagen anhält. Wenn man als Beobachter daneben steht, nimmt man das gar nicht so genau wahr, das hat eine ganz andere Wirkung. Mit der Fotografie kann ich die Zeit «einfrieren».

Wollten Sie schon immer Fotograf werden?

Ich habe ursprünglich Medien- und Rechtswissenschaften in Basel studiert und mich schon damals viel mit der Fotografie aus gesellschaftlichen, technischen, theoretischen und praktischen Aspekten beschäftigt. Zudem habe ich als Verkaufsberater für einen grossen Kamerahersteller gearbeitet. Daher hatte ich immer mit den neuesten Geräten zu tun und konnte mir während dem Studium meine erste eigene Spiegelreflexkamera kaufen.

Für mich war auch klar, dass ich etwas machen möchte, das mir Freude bereitet. Etwas, das ich gerne mache. Und wenn ich mit dieser Arbeit auch meinen Unterhalt bestreiten kann, ist das natürlich umso schöner.

Sie sind auch Dozent an der Kunstschule Chur. Welche Ratschläge geben Sie Ihren Studierenden?

Es gibt nicht die Einstellung für die Aufnahmesituation und in diesem Sinne auch kein Richtig oder Falsch. Es muss einfach gut begründet sein – das gebe ich meinen Studierenden eigentlich immer mit auf den Weg. Wir sind ja eine Kunstschule, es geht darum kreativ zu sein. Als Dozent ist es mir natürlich wichtig, dass die erarbeiteten Grundpfeiler immer wieder in die Arbeit einfliessen. Aber wenn jemand ein Porträt mit einem Weitwinkelobjektiv machen möchte und das gut begründen kann, weil zum Beispiel ein bestimmter Effekt erzielt werden soll – warum nicht?

Wann wird für Sie ein Foto zum Bild?

Wenn es das gewisse Etwas ausstrahlt. Wenn es einen Moment einfängt und versucht die Zeit anzuhalten. Etwas, das nicht reproduzierbar ist. Im persönlichen Bereich sind das für mich oft Familienfotos, Fotos von guten Freunden und Angehörigen. Zum Beispiel von Festen, auch als Erinnerungsstütze. Die landen bei mir dann auch mal in einem Fotobuch. Bei mir im Wohnzimmer hängen dagegen manche meiner Landschaftsfotos als Wandbilder.

Ich fotografiere unter anderem auch Hochzeiten, da sind die Fotos natürlich mit besonders vielen Emotionen verknüpft. Wenn man dem Brautpaar das Hochzeitsalbum überreicht und dann die Freudentränen fliessen, das ist immer ein schöner und berührender Moment.

Was macht diese Fotos für Sie so emotional?

Anhand der Bilder lässt sich der Tag noch einmal erleben, man kann sich wieder in die Situation hineinversetzen und die Freude erneut aufleben lassen. Es sind einfach berührende Bilder, die viele schöne Erinnerungen wecken.

Vom Freeriding zur Hochzeit – das ist ja ein sehr breites Spektrum. Was ist Ihr Lieblingsmotiv?

Das habe ich in dem Sinn gar nicht. Fotografie an und für sich gefällt mir einfach. Beruflich arbeite ich natürlich hauptsächlich mit Personen: Familienfotoshootings, Hochzeiten, Unternehmensreportagen… In der Freizeit fotografiere ich gerne die Natur, Tiere und versuche auch immer wieder Neues auszuprobieren. Mittlerweile habe ich auch den Spass an der Drohnenfotografie entdeckt, weil sich dadurch ganz neue Perspektiven eröffnen.

Sind die eher ruhigeren Naturaufnahmen für Sie ein Ausgleich zum Arbeitsalltag?

Ja, das kann man schon sagen. Eine Hochzeit findet nur einmal statt, da muss man natürlich zu 100% konzentriert sein. Klar, die Tierwelt ist auch sehr anspruchsvoll in der Fotografie. Aber da hat man Zeit: Man kann viel ausprobieren und es ist nicht schlimm, wenn mal etwas nicht funktioniert. Es ist weniger Anspannung und Druck da, man kann den Moment in Ruhe geniessen.

Gehen Sie in Ihrer Freizeit gezielt auf die Suche nach bestimmten Natur-Motiven?

Nein, gar nicht, da bin ich völlig spontan. Ich habe die Kamera dabei und wenn sich die Situation ergibt, dann mache ich ein Foto. Manchmal habe ich die Kamera auch umsonst mitgenommen und gar kein Foto gemacht. Aber aus der Vergangenheit habe ich gelernt, die Kamera immer mitzunehmen – man weiss nie, was einem begegnen wird.

Noch eine Frage zum Schluss: Welchen Tipp würden Sie Fotografie-Anfängern geben?

Üben, üben, üben – und am besten nur im manuellen Modus fotografieren, denn aus Fehlern lernt man.

Vielen Dank für das Interview!

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